Gemeinschaftsbilder - Kunst und Kommunikation
Gemeinsam an einem Bild zu malen und zu gestalten, ist immer wieder etwas Besonderes. Jeder bringt seine Vorstellungen und Ideen ein und es entsteht ein außergewöhnliches gemeinsames Werk. Im Prozess kommt es zwischen den Teilnehmenden zu Annäherungen und Abgrenzungen. Es werden Fragen aufgeworfen und auf dem Papier oder der Leinwand gelöst: wie bringe ich mich ein? Wo ist mein Platz? Es kann ein harmonisches Miteinander sein oder auch zu Auseinandersetzungen kommen. Je nach dem wie die Aufgabenstellung gewählt ist, kommen unterschiedliche Schwerpunkte zum tragen. Bei einem gemeinsamen Gips- und Schnurbild können vorher abgegrenzte Bereiche abgeteilt werden, so dass jeder sich "seinen" Bereich aussucht, in dem er startet. Von diesem "sicheren Terrain" aus können sich die Teilnehmenden dann vorsichtig in weitere Bereiche hinauswagen. Wenn Pinsel ausgegeben werden, ermöglicht dies das Malen einzelner filigraner Objekte. Werden Spachteln, Bürsten und Schwämme verteilt, regt dies die Teilnehmenden dazu an, flächig und fließend zu arbeiten und erleichtert Übergänge und Mischtechniken. Bei einem Wandbild kann vorgegeben werden, dass jede Teilnehmerin nur eine Farbe bekommt. Dadurch wird Zusammenarbeit unweigerlich notwendig. Möglich ist, sich abzusprechen und andere um einen passenden Beitrag zu bitten. Richtig spannend wird es jedoch, wenn die Aktion "ohne Worte" abläuft. Es geht darum Kontaktmöglichkeiten zu erproben und zu erleben.
Gemeinschaftsbilder sind immer wieder ein Erlebnis in Kursen mit Kindern und Erwachsenen und in sozialtherapeutischen Gruppen, wie ich sie in den Arbeitsloseninitiativen Gießen und Wetzlar angeboten habe. Sie können aber auch dafür eingesetzt werden, wenn verschiedene Gruppen sich kennenlernen wollen und daraus ein öffentlicher Event wird. So zum Beispiel beim "Dialog der Kulturen" in Wetzlar und Gera, bei einer öffentlichen Veranstaltung in der IDESA Lauterbach, beim Zusammenkommen von Schüler*innen, Erwerbslosen und Jobcenter-Mitarbeiter*innen im Wetzlarer Westend. Oder bei den Aktionen "Gesichter für ein friedliches Miteinander" und "Das Leben ist bunt", die zusammen mit der Arbeitsloseninitiative Gießen bei Mitmachaktionen bei Fluss mit Flair angeboten wurden. Gemeinschaftsbilder können darüber hinaus zu einem Symbol für Zusammenarbeit oder Zusammengehörigkeit werden, wenn sie im Team einer Einrichtung, in einer Firma oder in einem Kindergarten mit Eltern, Kindern und Erzieher*innen, wie zum Beispiel ein Gips-Farbe-Bild mit der Kita Franz von Hahn oder bei den Frauenfiguren für den Garten des Tagestreffs 17 Ost, in gemeinsamer Aktion entstehen. Sie verdeutlichen den Beitrag, den jede*r Einzelne zum Gelingen des Gesamten beiträgt und können später in der Einrichtung aufgehängt werden.
Weil ganz verschiedene Menschen zusammenkommen, deren unterschiedliche künstlerische Stile sich auf dem Bild vereinigen, sind die Werke oft etwas besonderes. Die Ergebnisse sind immer das Produkt eines dialogischen Prozesses, eines Aushandelns mit Pinsel, Spachtel und Farbe, eines Gespräches - oft auch ohne Worte. Gefühle, Grenzen, Angst, Anregung, Nähe - all das hat auf der Leinwand Platz, es können Auseinandersetzungen und Annäherungen stattfinden und ein interessantes gemeinsames Bild erstehen lassen. Und weil ohne Worte kommuniziert werden kann, eignet sich die Methode besonders gut in der Integrationsarbeit mit Migrant*innen und Flüchtlingen.
Im Anschluss daran wird die Aktion ausgewertet. Bei Gemeinschaftsbildern in sozialtherapeutischer Gruppenarbeit wie zum Beispiel im Wetzlarer Hegiss-Projekt werden die Prozesse und das Erleben besprochen und bearbeitet. Wie ging es mir beim Malen? Wie war der Kontakt mit anderen? Was habe ich erlebt? Habe ich meinen Platz gefunden? Habe ich durch die anderen Anregungen bekommen oder haben sie mich gestört? Und es wird über das Malen Bezug genommen aufs eigene Leben. Die erlebten Gestaltungs- und Kontakterfahrungen werden reflektiert und es wird erarbeitet, was daraus für das eigene Leben gelernt werden kann. Was hat mir geholfen? Was hat mir gut getan? Und was ist für mich wichtig?
Bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen, bei denen sich die Teilnehmenden vorher nicht kennen und es eher um ein Kennenlernen verschiedener Gruppen geht, wird ebenso allen Mitwirkenden Raum gegeben, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Es können gemeinsam Titel für die Bilder gefunden werden oder kurze Statements aufgeschrieben und bei einer Ausstellung mit gezeigt werden, wie wir dies bei Projekten in Wetzlar, Gera und Lauterbach gemacht haben. Auch ein Gruppenfoto mit allen Beteiligten ist immer ein schöner Abschluss. Zu solch einer Aktion kann die Presse eingeladen werden, es kann eine Ausstellung gemacht oder die Ergebnisse können wieder anders weiter verarbeitet werden.