Graffiti - Banner

Graffiti mit Erwerbslosen - Banner-Gestaltung zum Thema "Würde"

Würde Banner in Heppenheim, Haus am MaibergWir leben in einem der reichsten Länder der Welt, und der Preis dafür scheint zu sein, dass das ganze Land unter einem hohen Leistungsdruck steht. „Wir fordern Leistung“ formuliert Innenminister de Maizière im Mai diesen Jahres in seinen zehn Thesen zur deutschen Leitkultur (zeit-online). Für Menschen, die hier nicht mithalten können, scheint kein Platz mehr zu sein. „Können wir uns den Sozialstaat noch leisten?“ fragt focus bereits 2012. Und das in einem der reichsten Länder der Erde.

In der Arbeitswelt wird Menschen immer mehr Leistung abverlangt. Qualitätsanforderungen, Akkordarbeit, Zeitarbeit, Effektivität, Flexibilität sind nur einige Stichworte. Und gleichzeitig fallen immer mehr Menschen aus diesem Leistungssystem heraus, können den Anforderungen nicht standhalten, viele erkranken psychisch, zum Beispiel an Burn-out-Syndrom. Um den Anforderungen der Schule gerecht zu werden, werden Kinder immer früher an Leistungsgedanken herangeführt.

Wohin führt der immer stärker werdende Druck nach noch mehr Leistung, der sich auf immer mehr Bereiche auswirkt? Und was ist mit denen, die "aussortiert" werden, weil sie dem nicht stand halten? Bleibt da nicht die Menschenwürde auf der Strecke?

Im viertägigen Kultur- und Kreativseminar für Erwerbslose, das gemeinsam vom Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) und der Katholischen Arbeitslosen- und Betriebsseelsorge des Bistums Mainz veranstaltet wurde, setzten sich 17 Erwerbslose kritisch und kreativ mit den Themen „Leistung und Würde“  auseinander. Wohin führt der Leistungsgedanke? Was sind seine Schattenseiten? Und wie ist Leistung mit Menschenwürde vereinbar?

Zusammen mit Holger Wilmesmeier leitete ich die kreative Arbeit in der Gruppe an. Der Einstieg erfolgte mit einem World-Café zum Themenspektrum, bei der die Teilnehmenden sich darüber austauschten, was für sie Leistung und Würde bedeuten und was sie damit verbinden. Am zweiten Tag ging es dann schon um die Gestaltung des Banners. Die Gruppe entschied, das Wort "Würde" in großen Buchstaben plakativ darzustellen und dies mit Symbolen anzureichern. Jede Kleingruppe suchte sich einen der fünf Buchstaben aus und entwickelte dazu Gestaltungsideen. Dann ging es ans Herstellen von Schablonen und ans Sprayen der Buchstaben. Die große Fläche von 8 mal 2 Metern war gar nicht so einfach zu füllen - mehrmals mussten wir Farben nachkaufen. Am späten Abend des dritten Tages hatten wir es geschafft und das Banner war fertig, um am nächsten Tag am Turm des Haus am Maibergs aufgehängt zu werden. Es wurde vor der Presse und vor geladenen Gästen präsentiert.

Die 17 Teilnehmenden stammen aus Darmstadt, Erbach, Frankfurt, Gießen, Groß Gerau, Gießen, Heppenheim, Offenbach sowie Wetzlar. Im anschließenden Pressegespräch berichten einige von ihren Erfahrungen. Monika Klamt, die sich in einer Frankfurter Erwerbsloseninitiative engagiert, resümiert: „Leistungsdruck habe ich immer als Zwangsjacke empfunden. Die Anerkennung eines Menschen sollte sich nicht nur durch Geld ausdrücken.“ Für Axel Oehler aus Heppenheim, der in der Erwerbsloseninitiative Lichtblick im benachbarten Bensheim aktiv ist, ist der Ruf nach Würde eine „neue Power-Aussage“ geworden. Karin Puschmann aus Erbach will mit dem Transparent eines deutlich machen: „Alle Menschen sollten gleich behandelt und anerkannt werden, ob sie Geld haben oder nicht.“

Das Banner wurde außerdem bereits an der St. Laurentius Kirche in Bensheim und an der St. Wallburga Kirche in Groß-Gerau und öffentlich aufgehängt. Es kann von Kirchen oder Einrichtungen, die es ebenfalls präsentieren wollen, unentgeltlich ausgeliehen werden. Kontakt über Marion Schick beim Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN: m.schick@zgv.info