Wohnen muss bezahlbar bleiben
Wohnen ist Menschenrecht. Die Wohnung ist der Ort, der Schutz und Sicherheit bietet, Privatsphäre und freie Lebensgestaltung ermöglicht. Ohne Wohnung können elementare Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden. Eine Wohnung steht jedem Menschen aufgrund seiner Menschenwürde zu.
Dennoch leben in Deutschland über eine Million Menschen ohne Wohnung. Viele weitere leben in unzumutbaren Wohnverhältnissen, zahlen unverhältnismäßig teure Mieten oder leben unter dem Existenzminimum, weil das Jobcenter nur einen Teil der Miete übernimmt. Insbesondere in Städten und Ballungszentren herrscht akuter Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Als entscheidende Ursache ist der Verlust an Wohnungen mit Sozialbindung und Veräußerung von kommunalem Wohnraum seit den 1990er Jahren anzusehen. Wie der Deutsche Caritasverband mitteilt, ist die Zahl der Sozialwohnungen von 3,9 Millionen im Jahr 1987 auf ca. ein Drittel (1,3 Millionen) im Jahr 2015 abgesunken. Bundesweit fehlen inzwischen mindestens 1 Millionen Wohnungen.
Wohnungslosigkeit ist nur die Spitze eines Eisberges von Armut und zu hohen Mieten. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung kommt zu dem Schluss, dass rund 40 % der Haushalte in Deutschlands Großstädten mehr als 30 % ihres Nettoeinkommens ausgeben müssen, um ihre Bruttokaltmiete zu bezahlen. Etwa 1,3 Mio. Großstadt-Haushalte haben demnach nach Abzug der Miete nur sogar nur noch ein Resteinkommen, das unterhalb der Hartz-IV-Regelsätze liegt.
Ist es für Menschen mit geringem Einkommen schon schwer, auf dem angespannten Wohnungsmarkt eine Wohnung zu finden, so ist es für Menschen im ALG-2-Bezug in vielen Städten kaum mehr möglich. Die Verwaltungsvorgänge im Jobcenter verkomplizieren die Situation und schrecken insbesondere Privatvermieter ab. Bezieher*innen von ALG-2 bzw. Grundsicherung sind vor Mietvertragsabschluss an die Zustimmung des Jobcenters bzw. Sozialamtes und an deren festgelegte Mietobergrenzen gebunden. Bis die Zustimmung erteilt ist, ist in vielen Fällen die Wohnung bereits anderweitig vergeben. Wer eine zu teure Wohnung anmietet, riskiert, dass die Miete nicht vollständig bezahlt wird und Umzugskosten und Kaution gar nicht übernommen werden. Bereits beim Einzug entstehen Schulden, es schließt sich ein Leben unter dem Existenzminimum an.
Viele Städte und Gemeinden arbeiten mit veralteten oder unrealistischen Mietspiegeln, so dass die Maximalkosten für eine Wohnung realitätsfremd sind. Hartz-IV-Bezieher*innen stehen daher nur sehr wenige Wohnungen zur Verfügung. Aus der Not werden zu teure Wohnungen angemietet und die Betroffenen zahlen den Rest aus ihrem Regelsatz. Manche Jobcenter akzeptieren bei Wohnungslosen aufgrund der besonderen Härte für einen begrenzten Zeitraum eine höhere Miete. Nach einem halben Jahr erfolgt dann allerdings meist die Aufforderung, sich eine günstigere Wohnung zu suchen, so dass erneut eine prekäre Situation eintritt. Nach Recherchen von Harald Thomé wurden 2016 bundesweit 594 Millionen € Wohnkosten nicht von den Jobcentern übernommen, sondern von den Betroffenen aus ihrer Hilfe zum Lebensunterhalt selbst finanziert.
Der Wohnungsmarkt darf nicht der Immobilienspekulation überlassen werden. Wohnen muss als menschliches Grundbedürfnis auch für Menschen mit wenig Geld bezahlbar sein. Der soziale Wohnungsbau muss wieder verstärkt gefördert werden. Der Deutsche Caritasverband startet 2018 eine umfangreiche Kampagne zum Thema Wohnungsnot mit zahlreichen Ideen, das Problem vielschichtig anzugehen. Er schlägt zum Beispiel vor, kommunale Wohnungsunternehmen sozial auszurichten. Die 740 kommunalen und öffentlichen Wohnungsunternehmen mit 2,5 Mio. Wohnungen sollten nicht den größtmöglichen Gewinn anstreben, um die kommunalen Haushalte auszugleichen, sondern die Schaffung günstigen Wohnraums. So hätten die Kommunen darüber eine unmittelbare Steuerungsmöglichkeit zum Erhalt und zur Schaffung von günstigem Wohnraum.
Auch könnten die Kommunen die Instrumente des Bauplanungsrechts mehr nutzen, indem sie bestimmen, wo, wie und was gebaut wird. Durch aktive Gestaltung ihrer Bauland- und Liegenschaftspolitik könnten sie viel zu einer sozial ausgerichteten Wohnungspolitik beitragen. Ziel einer sozialen Stadtentwicklung sollte dabei auch eine nachhaltige und soziale Quartiersentwicklung, die Förderung des Miteinanders verschiedener Bevölkerungsgruppen und die Verhinderung sozialräumlicher Segregation beinhaltet. Hierfür ist die Stadtteil- und Quartiersarbeit unerlässlich.
Die Anbindung des ländlichen Raumes durch Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und die Unterstützung von Projekten und Initiativen, die Kultur und Struktur im ländlichen Raum erhalten und fördern könnte darüber hinaus dazu beitragen, die Landflucht in die Städte zu reduzieren und den Wohnungsmarkt in den Städten zu entzerren.
Stand: 09/2018