Recycling-Skulpturen

Integrativer Workshop zum Thema "Armut und Reichtum"

Beim SkulpturenbauAls Teil des Gesamtprojektes "Tile Kolup - Kaiser werden - leicht gemacht?"  der Wetzlarer Arbeitsloseninitiative e. V. WALI habe ich im Sommer 2002 einen Workshop "Skulpturenbau" angeboten. Ausgangspunkt des Gesamtprojekts war die historische Wetzlarer Figur des Bettlers Tile Kolup, der sich im Jahr 1285 in Wetzlar als der schon 1250 in Italien verstorbene Kaiser Friedrich II. ausgab und so für kurze Zeit in den Genuss von Ruhm und Reichtum kam, bis er enttarnt und als Ketzer verbrannt wurde. Neben einem historisch-aktuellen Theaterstück und einem Bühnenbild entstanden in diesem Workshop Skulpturen zum Thema "Armut und Reichtum, Macht und Ohnmacht". Dieser Workshop fand als integratives Angebot statt: d.h. nicht nur Erwerbslose unterschiedlicher kultureller Herkunft nahmen teil, sondern z.B. auch Beschäftigte sowie Menschen mit geistiger Behinderung aus der Lebenshilfe Wetzlar-Weilburg und weitere Interessierte.

In unserer heutigen Gesellschaft wird Reichtum und Wohlstand als Möglichkeit für alle proklamiert, dennoch leben viele Menschen unter der Armutsgrenze. Armut und Erwerbslosigkeit kann fast jeden treffen, der Sturz vom scheinbar gesicherten Auskommen in eine durch Armut und Arbeitslosigkeit gekennzeichnete Lebenssituation geht oft sehr schnell. Und auch heute gibt es Menschen, die sich ihre Armut nicht anmerken lassen wollen, die auf Kredit Waren kaufen und sich dabei hoch verschulden oder die sich trotz Bedürftigkeit nicht zum Sozialamt trauen. Gleichzeitig erzeugt die Überflussgesellschaft immer mehr Wegwerfartikel, überschüssiges Material, kurzlebige Produkte und nicht zuletzt Müllberge. In lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern arbeiten Erwachsene und Kinder unter menschenunwürdigen und lebensgefährlichen Bedingungen auf diesen Müllbergen. In ihrer knappen Freizeit bauen sich Kinder aus diesem Müll sogar noch funktionsfähiges Spielzeug. Auch dieser globale Aspekt von Wohlstand und Armut wurde im Seminar thematisiert.

Auf der Suche nach geeigentem Material  Ein alter Rasenmäher wird zu einer Skulptur verarbeitet  Skultpur "ab-gearbeitet" 

Im Projekt kreierten zehn Teilnehmer*innen aus altem, unnützem Material neue spannende Skulpturen, die das Thema "Armut und Reichtum" aus deren Sicht beleuchten. Altes und weggeworfenePresseartikel zum Projekts Material regte hier zum Weiterverarbeiten an. Dabei wurden Verbindungstechniken wie Gipsen, Leimen, Löten oder Heißkleben genutzt und vermittelt.

Weggeworfenes wurde hier nicht repariert, sondern seiner ursprünglichen Funktion entfremdet und in einen neuen Zusammenhang gestellt. Dies kann dazu ermuntern, auch im eigenen Leben Perspektivwechsel zuzulassen - zum Beispiel von der Betrachtung der Arbeitslosigkeit als "aussichtsloser" Situation hin zur Wahrnehmung der Veränderbarkeit und Entwicklung von neuen, vielleicht auch unkonventionellen Ideen. Dazu trugen auch Kommunikation, Dialog und gemeinsames Arbeiten an den Skulpturen bei. Aus den unterschiedlichen Lebensrealitäten und Wahrnehmungen der Teilnehmer*innen entstand ein fruchtbarer Austausch, der neue Sichtweisen ermöglichte und alte Muster aufweichen konnte.

Die Objekte wurden am 19. Juni 2002 im Rahmen der WALI-Theateraufführung im Wetzlarer Lottehof zum ersten Mal ausgestellt. Hier konnten Ergebnisse betrachtet werden und es entstanden lebendige Gespräche und Diskussionen zwischen Künstler*innen und Besucher*innen. So konnten die Skulpturen auch ein wenig dazu anregen, in größerem Rahmen über neue Perspektiven und Sichtweisen nachzudenken - sei es der Abbau von Vorurteilen gegenüber Armen und Arbeitslosen oder die Findung neuer Ideen zur gerechteren Verteilung von Ressourcen.

Einige Bilder der entstandenen Skulpturen können Sie hier im Internet betrachten. Weitere Informationen zum Gesamtprojekt und der Geschichte von Tile Kolup finden Sie auf den Seiten der Arbeitsloseninitiative im Lahn-Dill-Kreis e. V.