Gesundheitsförderung im Stadtteil
Zusammen mit der Arbeitsloseninitiative im Lahn-Dill-Kreis e.V. WALI konzipierte ich offene Gesundheitsprojekte für dei Bewohner*innen des Wetzlarer Stadtteils Westend, die wir von März 2004 bis Juni 2005 im Nachbarschaftszentrum Silhöfer Aue durchführten. Im Stadtteil leben viele Menschen im Hartz-IV oder Grundsicherungsbezug, die nur wenig Geld für gesunde Ernährung zur Verfügung haben, gleichzeitig aber oftmals unter chronischen Erkrankungen leiden, die eine Auseinandersetzung mit dem Thema Gesundheit nötig machen. Es ging darum, diese Menschen einzuladen, sich mit ihrer Gesundheit zu beschäftigen. Ein wesentlicher Bestandteil sollte dabei Gruppenarbeit sein, damit Menschen aus Einsamkeit herauskommen und sich vernetzen und gegenseitig unterstützen können.
Wir konzipierten ein daher möglichst niedrigschwelliges Angebot, das ohne Vorbedingungen zu gemeinsamen Essens- und Kreativangeboten einlud. Parallel zur Lebensmittelausgabe der "Mahlzeit" wurden Aktionen zum Mitmachen, Auftanken und Kraft schöpfen angeboten. Im 14-täglichen Wechsel wurde entweder gemeinsam gekocht und Mittag gegessen oder ein sozialtherapeutisches Kreativangebot zum Mitmachen angeboten. Nebenbei konnten sich die Teilnehmer*innen rund um die Themen Beruf und Gesundheit informieren und beraten lassen. Schon nach den ersten Wochen zeichnete sich ab, dass das Angebot rege genutzt wurde. Für viele waren die wöchentlichen Treffen ein Ausblick im Alltag der Erwerbslosigkeit und Suchtproblematik oder auch eine willkommene Abwechslung als Rentner*in mit wenig Geld. Etwas für sich selbst zu tun, hatten viele bislang völlig vernachlässigt. Die Angebote gaben den Impuls zur Veränderung der eigenen Situation - insbesondere die Beratung wurde dadurch stark und auch über die Projektzeiten hinaus in der WALI nachgefragt.
Das Projekt wurde gefördert durch das Programm L.O.S. "Lokales Kapital für soziale Zwecke" und in Zusammenarbeit mit der Mahlzeit des Diakonischen Werks Wetzlar und der Stadt Wetzlar durchgeführt. Damit gehörte das Gesundheitsangebot zu einer Reihe von Projekten, die im Rahmen des Programms "soziale Stadt" für Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf durchgeführt wurden. Ziel war beim Gesundheitsprojekt einerseits das individuelle Stärken und Fördern von Ressourcen, aber andererseits auch die Partizipation im Stadtteil.
Als niedrigschwelliges und offenes Angebot konzipiert, konnten sich Interessierte unverbindlich das Gesundheitsangebot anschauen, sporadisch teilnehmen oder nur einzelne Bausteine (z.B. nur Gruppenangebot oder nur Beratung) in Anspruch nehmen. Für die Arbeit im Projekt hieß das aber auch, den unterschiedlichen Zielgruppen gerecht zu werden. Ins Projekt kamen Menschen unterschiedlichster Herkunft und verschiedenen Alters, die gemeinsam kochten, aßen, malten, gestalteten, pflanzten und sich dabei austauschten und kennen lernten. Gleichzeitig bot der wöchentliche Rhythmus die Möglichkeit zur kontinuierlichen Teilnahme und zum weitergehenden Engagement. Auch kamen sehr unterschiedliche Problemlagen zur Sprache und wurden von uns mit den Teilnehmenden bearbeitet. Neben Erwerbslosigkeit spielten auch Sucht, psychische Erkrankung, Migration, Alleinelternschaft u.v.m. eine große Rolle bei der Beratung. Hier war eine Vernetzung mit anderen Diensten sehr wichtig.
Kreative Sozialtherapie
Kreative Sozialtherapie war ein essentieller Baustein des Projektes. Jeden zweiten Dienstag habe ich ein kreatives Angebot zum Mitmachen angeboten. In einer angeleiteten Gruppe fanden die Teilnehmer*innen mit kreativen und erlebnisorientierten Methoden persönliche Zugänge zu den Themen Gesundheit, Krankheit und Körper. Diese konnten in Collagen, Bildern und Gestaltungen ihren Ausdruck finden. Unterschiedliche Methoden und Techniken wurden eingesetzt - wie zum Beispiel Malen, Objektbau, Gemeinschaftsbilder oder Linolschnitt. Die nonverbale Gestaltung eines Themas ist manchmal der erste Schritt, es auszudrücken. Anschließend haben einige Teilnehmenden sich im Beratungsgespräch geöffnet und konnten über ihre Situation und ihre Probleme sprechen.
Dabei ist das Ziel, körperliche, emotionale und soziale Handlungen stärker wahrzunehmen und zu lernen, dass man sie im Dienste des eigenen Gesundheitsprozesses einsetzen kann. Krank machende Handlungsmuster können erkannt und Möglichkeiten zur Veränderung erarbeitet werden. Positive Ansätze werden verstärkt, es wird herausgearbeitet, was den Teilnehmer*innen persönlich "gut tut". Daraus entwickeln sich Anregungen für Veränderungen. Dabei werden vorrangig Selbsthilfepotentiale gesucht und verstärkt mit dem Ziel, die persönlichen Ressourcen zu fördern. Es geht in dieser Arbeit natürlich um eine sinnvolle Ergänzung zu medizinischer Behandlung, nicht um ihren Ersatz. Aber sie hat Bedeutung gerade auch im präventiven Bereich, und sie zeigt den Menschen: "Du kannst selbst etwas (Sinnvolles) für Dich (und andere) tun, und es tut dir gut, etwas zu tun!"
Zum Beispiel: Wünsche für die Gesundheit gestalten
In einer Einheit ging es um persönliche und gesellschaftliche Wünsche zum Thema Gesundheit. Zunächst wurden gemeinsam Wünsche gesammelt und so durch die Gruppe Anregungen gegeben. Aber auch unterschiedliche Gefühle wie z.B. die Wut über gesellschaftliche Missstände konnten auf dem Plakat ihren Platz finden. Anschließend konnten alle Teilnehmer*innen Collagen oder Bilder zu den Wünschen gestalten, die sie persönlich angesprochen haben. Einen Wunsch - wie z.B. das Rauchen aufzuhören oder sich mehr zu bewegen - zu formulieren und zu gestalten kann schon ein erster Schritt zu seiner Verwirklichung sein. Durch die Vorstellung der Bilder in der Gruppe wurden die Wünsche konkretisiert und erste Schritte zu ihrer Realisierung überlegt. So konnte so manche*r erfahren, dass so die eine oder andere Verwirklichung gar nicht so weit weg liegt. Ein neuer Teilnehmer bemerkte zum Beispiel nach dem Angebot: "So etwas habe ich schon ewig nicht mehr gemacht, das hat richtig gut getan!" Die Ergebnisse der kreativen Arbeit sollten auch ihre Wertschätzung erfahren. So wurde aus verschiedenen Einheiten des Kreativangebotes zusammen mit den Teilnehmer*innen ein Großbild mit Rahmen erstellt, das nach Ablauf des Projektes dem Nachbarschaftszentrum gespendet wurde und nun dort ausgestellt ist.
Anlegen eines Kräutergartens - Eigeninitive und aktive Stadtteilgestaltung
Im zweiten Projektteil wurde ein gemeinsam mit den Teilnehmer*innen ein Kräutergarten für den Stadtteil angelegt, der seit Ablauf des Projektes von Teilnehmer*innen weiter ehrenamtlich gepflegt wird. In einer von den Teilnehmer*innen erstellten "Kräuterfibel" konnten sich Interessierte über die angebauten Kräuter, ihre Wirkung und Verwendung informieren. Auch die "handfeste" Projektarbeit wie das Anlegen eines Kräutergartens regte zu mehr Eigeninitiative an. Einige fingen an, sich für die Pflanzen zu interessieren und besorgten sich Kräuter für ihre Balkons. Gleichzeitig nahmen sie mit dem Projekt an der aktiven Gestaltung ihres Stadtteils bei
Verankert im Stadtteil: Fest der Gesundheit
Zum Abschluss der Projektphasen wurden ein Stadtteilfest veranstaltet, das die Gruppenteilnehmer*innen für den Stadtteil ausrichteten. Hierbei beteiligten sichneben den Teilnehmer*innen verschiedene weitere im Stadtteil aktive Akteure und Kooperationspartner. Beim Fest wurden die Projektergebnisse ausgestellt, selbst zubereitetes Essen angeboten und Aktionen zum Mitmachen für Kinder und Erwachsene durchgeführt. Als Schirmherr konnte Dr. Hermann Schulz, Leiter des Wetzlarer Gesundheitsamtes, gewonnen werden.