Mosaik-Denkmal

Fliesen-Mosaik-Projekt - "Ein Denkmal für Tile Kolup"

Ein Denkmal für Tile Kolup - Fliesenmosaik-Projekt mit der WALITile Kolup - ein Bettler, der sich im Jahr 1285 in Wetzlar als Kaiser Friedrich der II. ausgab, aber kurz darauf als Ketzer verbrannt wurde, war in der Wetzlarer Stadtgeschichte ein wenig in Vergessenheit geraten, bis die Wetzlarer Arbeitsloseninitiative e. V. WALI im Jahr 2001 begann, sich mit ihm zu beschäftigten. Wer war dieser Bettler, der den Mut und die Dreistigkeit hatte, sich als der bereits in Italien verstorbene Kaiser Friedrich auszugeben und in Wetzlar als Herrscher einzumarschieren? Und warum wurde er zunächst von den Stadtvätern geduldet, bis das Heer vom nun regierenden Kaiser Rudolf vor Wetzlars Toren stand und seine Auslieferung verlangte?

Auf der Suche nach diesen Fragen recherchierten Arbeitsgruppen in der WALI in Stadtarchiv und historischen Dokumenten. In umfangreicher Projektarbeit wurden 2002 und 2003 in kreativen Gruppen und Workshops hierzu ein Großbild gemalt, Theaterstücke entworfen und gespielt, Skulpturen gebaut und historische Umzüge veranstaltet. Die Themenfelder "Armut und Reichtum", "Macht und Ohnmacht" wurden nicht nur in Bezug auf damals sondern auch in ihrer heutigen Aktualität bearbeitet, kreativ umgesetzt und in der Öffentlichkeit präsentiert. So wurden Theaterstücke im Wetzlarer Lottehof und auf der Lahninsel aufgeführt, Recyclingskulpturen ausgestellt u.v.m.

Schließlich entstand die Idee, ein Denkmal für den Bettler zu errichten, der es gewagt hat, den Kaiser-Thron zu besteigen. Auf der Grundlage eines alten Stuhles entstand ein Flammenthron, der anregt, das Wort "Denkmal" als Aufforderung aufzufassen: „Denk mal!“ - und als Ermunterung zum entsprechenden Handeln. Ein Jeder kann den Thron besteigen und sich darauf setzen (und vielleicht in besonderer Aufmachung fotografieren lassen). Er oder sie hat Gelegenheit, aus grauem Alltag auszusteigen und sich zu krönen, Gelegenheit, sich seiner / ihrer Bedeutung klar zu werden und Gedanken darüber zu machen, wohin der Weg führen soll. Und dies beinhaltet die Chance, mit der symbolhaften Zepterergreifung sein Schicksal in die Hand zu nehmen und einen emanzipativen Akt zu vollziehen.

Das Zentrum für High Tech und Kultur, ein Gewerbepark auf den ehemaligen Spilburggelände bot seine Logistik und Unterstützung für die Verwirklichung dieses großen Projektes an. Ansässige Baufirmen bauten nach den Entwürfen der WALI den "Rohling" und verputzten ihn.

Nun ging es an die letzte Projektphase, in der eine Gruppe Erwerbsloser unter meiner Anleitung den Flammenthron mit buntem Fliesen-Mosiak gestaltete und damit "zum Leben erweckte". Hier mussten zunächst die von verschiedenen Firmen gespendeten Fliesen zurecht geklopft und abgeschliffen werden - eine wahre Fleißarbeit. Dann ging es an die Gestaltung. Stück für Stück arbeitete sich die Gruppe voran: von hinten nach vorn und von oben nach unten nahm der Thron immer mehr farbige Gestalt an. Dabei brachten erwerbslose Fliesenleger*innen genauso ihre Kenntnisse ein wie gestalterisch Interessierte mit dem Sinn fürs Detail und der Fingerfertigkeit für knifflige Stellen. Alle zusammen konnten erleben, wie aus dem weißen Rohling ein strahlendes Denkmal wuchs, an dem jede*r auf seine Weise mitgearbeitet hatte.

Beim Bauen am Tile Kolup Denkmal  Gruppe bei Bau des Denkmals für Tile Kolup  Seitenansicht Tile Kolup Denkmal

Derweilen bereitete sich in der WALI ein Chor auf die Denkmalseinweihung vor, die am 16.11.2005 feierlich und teilweise in historischen Kostümen vollzogen wurde. Der Schauspieler Erich Schaffner spielte dabei den Tile Kolup als Kaiser und bestieg den fertigen Thron. Aber auch alle aus dem Volk konnten sich auf den Thron setzen und kurz den Moment auskosten "Kaiser" zu sein.

Das Denkmal steht am Eingang des Wetzlarer Spilburg-Geländes gegenüber Café Bar Springtown und ist für alle Interessierten jederzeit zu besichtigen und zu "besteigen". Weitere Informationen Einladungsflyer mit Chronik der WALI-Projekte zu Tile Kolup und Festrede von Kunsthistoriker Dr. Helmut Scharf sowie auf der Seite der Wetzlarer Arbeitsloseninitiative WALI e. V.