Mit Kreativität und Eigeninitiative zum Wiedereinstieg in das Berufsleben - Leitfadens für Kulturprojekte
Im Jahr 2001 arbeitete ich an einem Modellprojekt mit dem Titel "Mit Eigeninitiative und Kreativität zum Wiedereinstieg in das Berufsleben" mit, durchgeführt vom Förderverein gewerkschaftlicher Arbeitslosenarbeit e. V. und finanziert durch das Bundesministerium für Arbeit. Hier wurden gezielt Erfahrungen aus Kulturprojekten ausgewertet und verglichen, kulturell-kreative Ansätze in der Praxis erprobt und aus den Ergebnissen ein Leitfaden für Kulturprojekte im Rahmen von Erwerbsloseninitiativen erarbeitet.
An zwei Standorten - Wetzlar in Mittelhessen und Gera in Thüringen - führten wir jeweils ein Modellprojekt mit dem Thema "Gesicht zeigen - Dialog der Kulturen" durch, in dem sich Erwerbslose kreativ und inhaltlich mit dem Thema Rechtsextremismus auseinander setzten und ihre Ergebnisse im Gemeinwesen präsentierten. Mehrere Arbeitsgruppen wurden von den Projektgruppen in beiden Städten entwickelt und angeboten. Das waren Textgruppen, die ein literarisches Programm für eine Präsentation erarbeiteten, ein Holzdruckkurs, Aktionstage, bei denen die Initiativen Akteure aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen (z. B. Schüler*innen, Menschen mit Behinderung, Firmen- und Politikvertreter*innen) einluden und mit ihnen gemeinsam großflächige Leinwände zum Thema "Dialog und Verständigung" bemalten, ein Internetprojekt, und vieles mehr. Erwerbslose beteiligten sich an Organisation und Verwaltung, und an allen Aufgaben, die rund um die Präsentationen anfielen - vom Brötchen-Schmieren bis zu den Gesprächen mit der Presse.
Im Vordergrund: Eigeninitiative, Kreativität und selbstorganisiertes Lernen
Von Anfang an waren Betroffene auch in der Planung und Entscheidung mit dabei. Thema und Inhalte wurden nicht vorgegeben, sondern von den Erwerbslosen aufgrund eigener Erfahrung und Sichtweisen entwickelt. Die TeilnehmerInnen konnten ihre beruflichen Qualifikationen gezielt in das Projekt einbringen - sei es im handwerklichen oder künstlerischen Bereich, in der Buchhaltung, Hauswirtschaft oder allgemein im Planen und Organisieren. Dabei zeigte sich, dass im Gegensatz zu herkömmlichen Schulungsmaßnahmen eben diese freiwilligen Projekte besonders geeignet sind, Eigeninitiative zu wecken und zu fördern. Die Projekte waren für die Betroffenen so interessant, dass es keine Probleme bei der Gewinnung der Teilnehmer*innen gab. Motivationsschwierigkeiten oder Abbrüche traten sehr selten auf. Es zeigte sich, dass dem üblichen mit Erwerbslosigkeit einhergehenden Qualifikationsverlust auf diese Weise entgegengewirkt werden konnte. Alles was erlernt und erarbeitet wurde, erfuhr eine Bedeutung im Zusammenhang mit dem Gesamtprojekt.
Sinnvoll konzipiert ist solch ein Kulturprojekt nicht als "Kurs", in dem alle das Gleiche lernen, sondern wie eine kleine Firma, in der auf der Grundlage der Notwendigkeiten jeder nach seinen Fähigkeiten eingesetzt wird. Über die teilweise prozess- und erlebnisorientierte Arbeit in Kreativgruppen wird letztendlich darauf hingearbeitet, dass präsentationsfähige Ergebnisse in verbindlichen Zeitlimits entstehen wie eben im "richtigen Arbeitsleben" auch. Die Initiativen und die Projektteilnehmer*innen gehen mit ihren Ergebnissen an die Öffentlichkeit, sie präsentieren ihre Produkte in Ausstellungen, auf Veranstaltungen und während Pressegesprächen.
Perspektiventwicklung für Erwerbslose
Ein Kulturprojekt schafft natürlich keinen Arbeitsplatz. Aber es kann eine Perspektive bieten wie zum Beispiel freiwilliges Engagement, selbstgesteuertes Lernen und Selbsterfahrung. Mit Hilfe der professionellen Kräfte können gesundheitliche, psychische und finanzielle Probleme thematisiert und angegangen werden. Was solche Projekte für die Teilnehmer*innen leisten können, ist vor allem die Entwicklung von Ideen und Zukunftsvisionen für das eigene Leben. Im Rahmen der Modellprojekte kam es zu einigen Arbeitsvermittlungen. Aber auch alle anderen erlebten eine Entwicklung: sie überwanden Resignation und die Selbsteinschätzung "nichts zu können" und schöpften wieder Hoffnungen. Kontakte wurden geknüpft, Einsamkeit überwunden. Ein Kulturprojekt kann damit zur Erhöhung der Lebensqualität in der schwierigen Situation der Erwerbslosigkeit beitragen und den krankmachenden Faktoren von Erwerbslosigkeit ein Stück entgegenwirken.
Leitfaden für Kulturprojekte als Instrument für Erwerbsloseninitiativen
Mit dem im Rahmen dieses Modellprojektes entwickelten Leitfadens liegt den Initiativen nun ein Instrument vor, das sie bei der Durchführung solcher Projekte unterstützt. All die Aktivitäten, die heute schon in vielen Initiativen ohne größere Beachtung durch die Öffentlichkeit stattfinden, können so mehr Gewicht bekommen. Dieses entwickelte Praxishandbuch kann beim Förderverein gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen bestellt oder als hier als pdf-Datei heruntergeladen werden.