Landart

Kunst in und mit der Natur

Stein-TürmchenNatur und Landschaft bringen großartige Kunstwerke hervor. Viel Spaß macht es mit groß oder klein in die Natur zu gehen und mit ihren Werkstoffen und Materialien eigene kreative Werke zu vollbringen. Der Begriff "Landart" entstand Ende der 1960er Jahre in Amerika, wo Künstlerinnen und Künstler oft großflächige Installationen und Werke aus Naturmaterialien weit abseits der Zivilisation in oft "unberührten" Landschaften aufstellten. Sie verstanden Landart auch als Protestform gegen Künstlichkeit und Kunststoffe. Im kleinräumigeren aber Europa entwickelte sich in den 1970er Jahren daraufhin eine naturorientierte Kunstform, die hauptsächlich mit Naturmaterialien in einer oft auch relativ kultivierten Landschaft experimentierte.

Landart-Kunstwerke haben meist eine kurze Lebensdauer. Die Flut spült sie weg, der Regen wäscht sie fort, der Wind verweht sie. Sie laden dazu ein, für den Augenblick zu gestalten und nicht für die "Ewigkeit". Sie bieten daher besondere Erfahrungen in einem alltäglichen und doch besonderen Erlebnisraum.

Beim Landart-Projekt "Generationen - Konflikt oder Kooperation?" in Bodenrod, veranstaltet von der Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN und dem Referat Wirtschaft-Arbeit-Soziales der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, waren einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer ganz berührt davon, sich der Natur wieder anzunähern. Sie berichteten, wie lange sie schon keinen ausführlichen Waldspaziergang mehr gemacht hatten. Näher an der Natur erlebe ich in meinen Projekten oft Kinder, die viele Ideen mitbringen, was sie mit und in der Natur gestalten wollen, die Lehm selbstverständlich zum Modellieren nehmen und schnell dabei sind, aus Steinen, Pflanzen, Stöcken und Sand Burgen, Tiere oder Häuser zu bauen.

Landart bietet die Möglichkeit, fernab vom hektischen Großstadtleben in der Natur Ruhe und Entspannung zu finden. Der gestalterische Ansatz ist aber weit mehr als ein Waldspaziergang. Durch die Absicht des kreativen Tuns wird die Natur bereits viel genauer wahrgenommen. Es wird assoziiert, gefühlt, gesammelt, in Beziehung gesetzt. Eine Wurzel wird ganz genau betrachtet, Steine werden mit Kraftaufwand verrückt, die Fließrichtung des Wassers wird beobachtet. Sich selbst als in der Natur Schaffende wahrzunehmen ist für viele Erwachsene bereits etwas besonderes. Es fällt ihnen auch nicht immer leicht, sich auf die natürlichen, oft "unberechenbaren" Materialien einzulassen. Aber um so begeisterter sind sie von dem, was sie dann zustande bekommen haben.

Meine Erfahrung zeigt, dass es vielen Menschen einfach gut tut, mit Natur und Naturmaterialien in Berührung zu kommen und sich auf die Natur einzulassen. Im Stadtteilprojekt "kreative Angebote rund um den internationalen Garten", das 2009 / 2010 in Zusammenarbeit mit der Arbeitsloseninitiative im Lahn-Dill-Kreis e. V. im Wetzlarer Nachbarschaftszentrum Silhöfer Aue stattfand, habe ich immer wieder erlebt, dass es gerade auch einfache Methoden wie das Legen eines Natur-Mandalas, das Basteln von Traumfängern oder das Bemalen von Steinen sind, die Menschen aus sozialen Brennpunkten helfen, sich ein Stück weit mit der Natur in Verbindung zu bringen und zu "erden".

Kindergartenkind gestaltet Bild mit KlettenIn der Arbeit mit Kindern hilft Landart, Natur bewusst wahrzunehmen und einen verantwortungsvollen Umgang zu erlernen. Kinder finden heutzutage vielfach eine bereits gestaltete Umwelt vor, wo sie - wie auf dem Spielplatz - nur recht eingeschränkte Gestaltungsfreiräume haben. Vielen Kindern sind Naturmaterialien fremd, sie wachsen in einem Kinderzimmer voller Plastik- und Elektronikspielzeug auf. Im Landart-Ferien-Projekt der Justus-Kids des Studierendenwerkes der Uni Gießen 2022 erkundeten wir zunächst die Umgebung, sammelten Materialien und machten erste Experimente. Mit Lehm gestalteten wir Waldgeister an die Bäume. Am zweiten Tag konnten die Kinder ein eigenes großes Projekt am Bach verwirklichen, wobei Hütten, Stege und vieles mehr entstanden sind.

Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wie begeistert Kinder von natürlichen Materialien sind und welche Kreativität sie entwickeln. Der Umgang mit Naturmaterialien fördert die sinnliche Wahrnehmung, sie sind höchst unterschiedlich in Geruch, Klang und Konsistenz. Kinder erleben in der Natur, das Spaß und Abenteuer ohne ihre gewohnten Spielsachen möglich sind, können ihren natürlichen Bewegungs- und Erkundungsdrang ausleben und ihre gestalterischen Fähigkeiten weiterentwickeln.

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, in und mit der Natur kreativ zu arbeiten. Es können direkt vor Ort Landschaftskunstwerke gebaut werden, es kann ein Thema mit Landart bearbeitet werden, es können Materialien mitgebracht und (drinnen) weiterverarbeitet werden - zum Beispiel auch bei Regen - und es können aus den so hergestellten Utensilien wieder neue Werke entstehen - wie zum Beispiel Bilder aus Erdfarben, gemalt mit Blätterpinseln. Naturmaterialien eignen sich auch im besonderen zum Einsatz in der kreativen Sozialtherapie. So können schon allein die Assoziationen, die Steine oder Stöcke hervorrufen, genutzt und weiterbearbeitet werden. Der eigene Umgang und Zugang zur Natur kann eine wertvolle Ressource sein, die Menschen durch die Gestaltung mit Naturmaterialien wiederentdecken.

Landart-Projekte tragen dazu bei, Natur und Umgebung bewusster wahrzunehmen. Sie können zu einem nachhaltigeren Umgang mit Materialien und Natur anregen und ein guter Einstieg sein für Umwelt- und Klimaschutzprojekte mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Stand: 2022