Erwerbslosigkeit

Arbeitslosigkeit - wie ein leeres Blatt Papier

Frau mit Kind im Arbeitsamt - aus einem Fotoprojekt der WALIAuch wenn die Arbeitslosenquote in den letzten Jahren zurückgegangen ist, ist Erwerbslosigkeit immer noch ein großes Problem, das die betroffenen Menschen nicht selten in Armut und soziale Vereinsamung bringt. Sie kann heute jeden treffen. Nur noch selten sind Biographien lückenlos, Karrieren gradlinig. Auch wenn sie manchmal eine Verschnaufpause in einer immer stressiger werdenden Arbeitswelt sein kann, ist lang anhaltende Erwerbslosigkeit für die meisten Betroffenen verbunden mit Armut, Perspektivlosigkeit und Ausgrenzung.

Seit Hartz IV und dem Wegfall der Arbeitslosenhilfe hat sich die Situation finanziell für viele verschärft. Wer länger als ein Jahr ohne Erwerbstätigkeit ist, lebt am Existenzminimum. Vielen Betroffenen, wie zum Beispiel jungen Erwachsenen unter 25 Jahren, die von zu Hause ausziehen, wird selbst das verwehrt. Die Folgeprobleme sind vielfach nicht nur Finanznot und Schulden, sondern auch ungesunde Ernährung oder soziale Vereinsamung aufgrund der finanziellen Engpässe.

Auch wenn die offizielle Zahl der Arbeitslosen inzwischen unter 3 Millionen liegt, leben immer mehr Menschen in Deutschland von Hartz IV. Das sind nicht nur Erwerbslose, sondern auch Kinder und Familienangehörige, sowie Menschen, die zu ihrem Einkommen ergänzend Sozialleistungen beziehen müssen, um über die Runden zu kommen. Fast jedes siebte Kind unter 18 Jahren ist in Deutschland auf Hartz IV angewiesen. In ihren Regelsätzen ist kaum genug Geld vorgesehen für eine Bus-Monatsfahrkarte, Spiele, Bücher, der Besuch von Kursen oder Vereinen oder Nachhilfeunterricht. Damit werden sie von sozialen Zusammenhängen ausgeschlossen und in Bezug auf Bildung bereits benachteiligt, bevor sie überhaupt anfangen, eine Arbeitsstelle zu suchen.

Dass sich lang andauernde Arbeitslosigkeit mit ihren Folgeproblemen negativ auf die Gesundheit auswirkt, ist inzwischen vielfach belegt. Insbesondere in  psychischer Hinsicht hat sie negative Auswirkungen. Wenn immer wieder Bewerbungsunterlagen zurückgeschickt werden und Absagen ins Haus flattern, nagt das am Selbstbewusstsein. Das Gefühl, nutzlos und nicht erwünscht zu sein, bleibt. Erfolgserlebnisse und positive Rückmeldungen, die vorher im Berufsleben vielleicht als selbstverständlich hingenommen wurden, sind nun Mangelware. Insofern gleicht Arbeitslosigkeit in vieler Hinsicht der Situation, vor einem leeren Blatt Papier zu sitzen. Alles ist offen, nichts ist klar oder gewiss. Der Wunsch nach Veränderung und Neuanfang ist da, aber es stellt sich die schwierige Frage, wie der erste Schritt oder "Pinselstrich" gelingen kann.

Arbeitsloseninitiativen sind in dieser Situation eine Stütze. Ihre Angebote stellen eine Möglichkeit, die schwierige Situation der Arbeitslosigkeit zu gestalten und Wege zu finden, damit umzugehen oder gar herauszufinden. Insbesondere kreative und kulturpädagogische Angebote helfen, Mutlosigkeit zu überwinden, Selbstbewusstsein wieder zu gewinnen und eigene Ideen und Perspektiven zu entwickeln. Denn der Weg aus dem "Ödland" Arbeitslosigkeit, das Finden einer Stelle, einer Nische, ist nicht nur eine Fleißaufgabe, sondern ebenfalls ein kreativer Prozess. Kreativität, Eigeninitiative, eigene und neue Ideen sind meist gefragt, um die persönliche Situation zu verändern - aber auch um auf gesellschaftlicher und politischer Basis Veränderungen zu bewirken. Kreative und niedrigschwellige Angebote, die diese Potentiale wecken, können hierzu ein erster Schritt sein, eine Ressource für Veränderung, ein Anfang.

Stand: 07 / 2018

Einige Arbeitsloseninitativen in Hessen:
Arbeitsloseninitiative Gießen e. V.
Arbeitsloseninitiative im Lahn-Dill-Kreis e. V. (WALI)
Kompass - Erwerbsloseninitiativen in Südhessen, z. B. Kompass Darmstadt.
Hilfe im Nordend der Frankfurter Luthergemeinde
Nordhessisches Netzwerk von Erwerbsloseninitiativen ELAN